Altes Postlager, so heißt der Ort, an dem der gemeine Mainzer zukünftig seine Wochenenden verbringen soll. Ob dieser Plan aufgeht, wurde beim großen Pre-Opening-Wochenende Ende April 2019 schonmal getestet. Da, wo früher Briefe und Pakete gelagert und sortiert wurden, entsteht eine moderne Markthalle. Was das Ganze mit dem Mainzer Marktfrühstück zu tun hat, dazu später mehr.
Inhaltsverzeichnis: das erwartet Sie in diesem Artikel
Wer? | Was? |
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Edelbeef | Frische Burger und andere Fleischwaren |
N´Eis – Das Neustadteis | EisEisEis |
An o ban | Vietnamesisches Streetfood |
Laurenz | Wein |
Gutleut | Wein, Bier, Long- und Softdrinks |
Kleine Pause | Kaffee und kleine Leckereien wie Foccacia |
Vinokilo | Vintage-Klamotten nach Kilo-Preisen |
1. Altes Postlager mit neuen Ideen
Man betritt die weitläufige Halle durch zwei mit Plastikplanen verschleierte Eingänge, die rauchenden Menschengruppen davor lassen bereits einiges erwarten. Stimmgewirr erfüllt den Raum, ein Kind auf Inline-Skates saust vorbei, der Geruch von frisch gebratenen Burgern ist schwer zu ignorieren und macht Appetit. Obwohl es draußen noch hell ist, betritt man eine Art Parallelwelt, ohne Tageslicht.
Kleine Pause
Erster Stopp: Kaffee. Die Kleine Pause serviert einen äußert schmackhaften doppelten Espresso zu einem vernünftigen Preis. Der perfekte Start, um in die Stimmung und das Gefühl dieser neuen groß angelegten Genusszone reinzukommen. Ein paar Pflanzen schmücken die sonst noch recht karge große Halle, Graffiti sind in allen Ecken zu bewundern. Die freie Fläche dazwischen wird von zahlreichen schwarz gestrichenen Biergarnituren gesäumt, an denen es sich schon einige Besucher gemütlich gemacht haben.
Die Buden der Gastronomen sind teilweise rustikal aus Holz selbstgebaut, teilweise sind es Container oder Bauwagen. Nicht zuletzt deswegen erinnert das Alte Postlager derzeit noch mehr an einen temporären Streetfood-Markt als an eine dauerhafte Markthalle. Jedoch sind auch mehr als zwei Drittel des gesamten Areals noch frei.
Gutleut & „Weinzirkus“ Laurenz
Es wird Zeit, zum zweiter Stopp überzugehen: Weinschorle. Die aus dem Mainzer Nachtleben bekannten Akteure Gutleut sowie die Neustädter Weinhandlung und –gastronomie Laurenz bieten hier ihre feuchtfröhlichen Dienste an. Da fällt die Wahl nicht leicht – letztlich entscheidet aber die Aufmachung des Standes: Der „Weinzirkus“ Laurenz bietet eine erfrischende große Weinschorle für vier Euro an – ein durchaus gutes Angebot. Der Stand befindet sich in einem alten Bauwagen und erinnert tatsächlich an einen Zirkuswaggon wie aus einem alten Film. Das Personal ist aufmerksam und freundlich, die Weinauswahl lässt wenige Wünsche offen – so war es aber auch zu erwarten, von einem altbekannten Weinhandel.
2. Mainzer Marktfrühstück entzerren?
Das Mainzer Marktfrühstück ist beliebt wie nie zuvor – das ist leider nicht nur positiv. Die Berge an Müll, die die Stadt samstags zu beseitigen hat; trunkene Halbstarke, die sich nicht benehmen können und die umliegenden Geschäfte zwischen Liebfrauenplatz und Fischtor, die das schmerzlich zu spüren bekommen – das sind mitunter die negativen Auswirkungen dieser Entwicklung.
Wer dafür schlussendlich die Verantwortung tragen muss und wie man dieses Dilemma löst, ohne auf diese schöne und beliebte Veranstaltung gänzlich zu verzichten, das wird sich noch zeigen müssen. Doch wie man die Mainzer kennt, versuchen sie schon, für sinnvolle Auswege zu sorgen, beispielsweise durch den Ausbau des Alten Postlager. Das Areal stand viele Jahre leer und ungenutzt da, in günstigster Lage direkt hinter dem Hauptbahnhof. Nur ab und zu fanden mal Veranstaltungen wie die Stijl-Messe statt, eine Messe für Kunst und Design, die zweimal jährlich stattfindet und immer sehr gut besucht ist.
3. Weck und Worscht – Fehlanzeige!
Um dem Mainzer Marktfrühstück Konkurrenz zu machen (oder ihm eine ebenbürtige Alternative zu bieten) fehlt es an einer grundlegenden Sache: der Grundbedarf an Rheinhessischen Tapas wird nicht gedeckt. Keine Fleischwurst, keine Backwaren, kein Spundekäs. Dabei handelt es sich dabei nicht mal um sonderlich aufwendige Nahrungsmittel. Das mag mitunter ein wenig spießig gedacht sein, man kann ja schließlich auch was anderes essen, aber für mich persönlich gehört es zumindest dazu, dass diese Speisen angeboten werden. Ebenso wünscht man sich auch Stände mit Käse und Oliven, wie man sie von der Fressgasse auf dem Wochenmarkt kennt. Auch Obst- und Gemüsestände für den langfristigeren Einkauf sollten vorhanden sein. Doch was nicht ist, kann ja noch werden.
4. Also, was futtern?
Fleischboutique Edelbeef
Die selbsternannte Fleischboutique Edelbeef aus der Mainzer Altstadt (Johannisstraße 8, Nähe Leichhof) verkauft ihr feines Fleisch jetzt nicht mehr nur noch für den Heimgenuss, sie braten es jetzt auch vor Ort an ihrem Stand im Alten Postlager.
Der eingangs erwähnte Burger-Bratgeruch, der wahrlich nur schwer zu ignorieren war, hält jedoch, was er verspricht: leckere kleine und große Burgervariationen warten hier auf den Genießer. Wer mehrere probieren möchte oder nur einen kleinen Hunger hat, kann sich die Mini-Burger schmecken lassen, die haben ungefähr ein Drittel der Größe eines herkömmlichen Burgers. Die Wartezeit am Stand hält sich in Grenzen und hat sich gelohnt!
An o ban
Auch nebenan bei den Kollegen von An o ban geht es heiß (und kalt) her: hier werden vietnamesische Speisen im Streetfood-Stil serviert:
- Sommerrollen mit Dips,
- Bowls mit Avocado oder
- vietnamesische Sandwiches.
Alles richtig lecker und perfekt für den kleinen Hunger. An o ban dürfte auch schon einen gewissen Bekanntheitsgrad in Mainz haben, besonders bei den Leuten, die in der Neustadt leben. Dort ist der Laden in der Wallaustraße 4 über die wenigen Jahre schon mehr als die Hälfte vergrößert worden. Der Erfolg liegt hier ganz klar im Geschmack.
Alle Schleckermäuler kommen am Ende der Halle auf ihre Kosten, wo N´Eis – das Neustadteis in einem alten Seecontainer seinen Stand aufgebaut hat. Mit ihrer hier ansässigen mittlerweile vierten Filiale sind die Geschäftsführerinnen weiter auf Erfolgskurs. Kein Wunder: jeder liebt Eis!
5. Darf es sonst noch was sein?
Die Tanzfläche, welche von allen Seiten durch Holzbänke und eine schöne alte Treppe eingegrenzt wird, dient an diesem Wochenende als Shopping-Area, die Second-Hand-Herzen höher schlagen lässt: das junge Mainzer Unternehmen Vinokilo ist zu Gast. Die Truppe, die seit 2015 zusammen arbeitet, organisiert Vintage-Shopping-Events in vielen deutschen und europäischen Städten, die Kleidung ist vintage und der Preis wird nach Gewicht berechnet. Das Unternehmen mit Sitz in Mainz-Laubenheim verkauft seine edlen Kleidungsstücke auch im Internet und ist damit und mit den wöchentlich stattfindenden Events mehr als erfolgreich.
Die Toiletten befinden sich außerhalb der Halle, sie wurden auch in zwei alte Container eingebaut – und sorgen für Gesprächsstoff: schwarze Wände für die Herren, pinke für die Damen. Eine einheitliche Gestaltung wäre durchaus auch möglich gewesen, die Macher entschieden sich aber dagegen. Nichtsdestotrotz ist es lobenswert, dass bereits vor der offiziellen Eröffnung angemessene Sanitärbereiche eingerichtet wurden, niemand mag Provisorien.
Im hinteren Teil der Halle, wo an diesem Wochenende keine Stände stehen, befindet sich außerdem eine Skateranlage mit Halfpipes, wo man sich auspowern oder anderen dabei zusehen kann. Dadurch bietet sich eine schöne Abwechslung zu den Biergarnituren in der Mitte der Halle, welche sich mittlerweile auch gut gefüllt haben. Draußen ist es mittlerweile dunkel und man ist froh, wenn man einen Platz ergattert und Freunden und Bekannten begegnet und die eine oder andere Weinschorle mit ihnen genießt.
Mit ihrem leicht industriellen Charme und der Weitläufigkeit erinnert das Alte Postlager an die Planke Nord, welche sich als wunderbare Outdoor-Event- und –Partylocation für vier Jahre am Zollhafen befunden hat, bevor dort die Bauarbeiten für ein neues Wohngebiet in die heiße Phase gingen. Genau wie bei der Planke Nord wird das Alte Postlager nicht für jedermann der geeignete Ort sein, um ein paar entspannte Stunden zu verbringen. Es ist durchaus vorstellbar, dass man es dort ein wenig zu aufgesetzt hip finden könnte. Aber wie immer muss man sich am besten selbst ein Urteil bilden.
6. Fazit
Bei Sonnenschein schaut man doch lieber auf den Rhein oder den Dom anstatt entlang von Hallenwänden. Dennoch: Als Schlechtwettervariante für das Mainzer Marktfrühstück mehr als geeignet! Die zentrale Lage und die Weitläufigkeit des Gebäudes sprechen definitiv dafür, dass hier ein fabelhafter Ort für neue Ideen entstehen kann. Ich für meinen Teil kann mir sehr gut vorstellen, dass sich Teile der immer neu-nachwachsenden Zielgruppe des Mainzer Marktfrühstücks (Erstsemester etc.) im Alten Postlager sehr wohl fühlen und zudem ist gut möglich, dass man sich hierher eher so gegen Nachmittag oder Abend hin trifft, wenn in der Stadt die Kneipen voll sind und die Marktstände schon abgebaut sind.
Bildnachweis: © alle schwarzer.de / Tiffany Bals